Im Rahmen des Kirchenjubiläums konzertierte der Regionalchor Nürtingen zusammen mit der Jungen Philharmonie der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland am 6./7. Juli 2013. Zur Aufführung kam die Sinfonie Nr. 2 in B-Dur op.52 Lobgesang von Felix Mendelssohn Bartholdy.
Konzerte
Samstag, 06. Juli 2013, 19.00 Uhr Neuapostolische Kirche Heilbronn
Sonntag, 07. Juli 2013, 17.00 Uhr Ev. Christus-Kirche, 72762 Reutlingen, Benzstr. 53
Leitung: Carolin Strecker (HN) und Daniel Joos (RT)
Sopran: Melanie Schlerf und Maren Kern
Tenor: Rüdiger Husemeyer
Ausführende: Regionalchor und Junge Philharmonie der Neuapostolischen Kirche Süddeutschland
In Reutlingen Benefizkonzert zugunsten des Frauenhauses Reutlingen.
Bericht auf der Seite der Neuapostolischen Kirche Bezirk Reutlingen-West.
Lesen Sie mehr im Vorbericht auf www.bischoff-verlag.de.
Zum Programm
Im Jahre 1840 wurde in Leipzig das Gutenbergfest, der 400. Jahrestag der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, gefeiert. Obwohl angenommen wird, dass diese Erfindung in Straßburg gemacht wurde, war Leipzig doch das Zentrum des Buchhandels, und daher sah sich die Stadt gerechtfertigt, die Organisation des Hauptteils der Festlichkeiten zu übernehmen. Das Leipziger Bürgertum feierte mit dem Buchdruck das Ende des finsteren Mittelalters, die Zerstörung des Bildungsprivilegs von Adel und Klerus und die Verbreitung von Reformation und Aufklärung.
Zu diesem Anlaß erhielt Felix Mendelssohn Bartholdy den Auftrag ein großes Werk für Chor und Orchester zu komponieren. In den zehn Jahren zuvor arbeitete Mendelssohn an einer Reihe symphonischer Kompositionen, die zunächst unvollendet blieben, vorzeitig abgebrochen oder noch nicht veröffentlicht waren. Eine Symphonie mit Chören zu schreiben, war in der Mitte des 19.Jahrhundert nicht ungewöhnlich (s.bspw. Beethovens 9.Symphonie) und ist durchaus einleuchtend, insbesondere indem die Wortbedeutung als ein vereinigtes „Zusammenklingen“ aller Stimmen verstanden wird. Mendelssohn gibt seinem Lobgesang allerdings eine weitere Deutung. Das Motto, unter dem seine Symphonie erklingt, ist „Alles was Odem hat, lobe den Herrn“ und zwar zunächst „mit Saitenspiel“ und dann „mit [...] Lied“. Die Hinwendung zu Gott notiert er auf dem Titelblatt mit einem Zitat Dr. M. Luthers:
„SONDERN ICH WÖLLT ALLE KÜNSTE, SONDERLICH DIE MUSICAM GERN SEHEN IM DIENST DES DER SIE GEGEBEN UND GESCHAFFEN HAT“
Die Orchestersätze waren aber wahrscheinlich schon vor Erhalten des Auftrags für die Gutenberg-Festlichkeiten geplant worden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Mendelssohn noch nicht an den Schlusschor gedacht. Die Quelle der Inspiration für das dann neue Werk war die Verwendung bestimmter Bibeltexte des alten Testaments und des evangelischen Chorals „Nun danket alle Gott' und sind daher Prosa. Mendelssohn folgt damit der Oratorientradition des 18. Jahrhunderts.
Die Struktur der Komposition ist zweiteilig: der erste, ausschließlich instrumentale Teil betitelt sich Sinfonia und fasst die üblichen ersten drei Sätze einer Symphonie zusammen und zwar Maestoso con moto - Allegro, Allegretto un poco agitato und Adagio religioso. Der zweite Teil hingegen besteht aus Cantata für Soli, Chor und Orchester und ist in seinerseits in neun verschiedene Abschnitte gegliedert.
Das Werk weist einen zyklischen Entwurf auf, für die Mendelssohn aber eine einheitliche Form sucht: die einzelnen Teilen sind miteinander verbunden und die Pausen zwischen den Sätzen fallen weitgehend weg. Beispielsweise ist der Übergang zum Alegretto durch ein Rezitativ der Klarinette gestaltet. Das Immerwiederkehrende zeigt
sich am deutlichsten im Hauptmotiv des gesamten Stückes: Gleich zu Beginn wird das zweitaktige Motiv durch die Posaunen vorgestellt und beherrscht daraufhin den ersten Satz. Im zweiten kehrt es wieder und im Finale steht es dann im Vordergrund und bekommt zusätzlichen Inhalt durch die Unterlegung mit den Worten "Alles was
Odem hat, lobe den Herrn“.
Der zweite Satz verdankt sein bezauberndes Wesen zum großen Teil einem ungewöhnlichen Hervorheben der Verdopplung in der Oktave, bei welcher sich Geige und Cello mit Oboe und Fagott fast durchweg abwechseln. Im Mittelteil zitiert der Komponist als Trio das Thema des lutheranischen Chorals "Allein Gott in der Höh sei Ehr“.
Das Adagio religioso in D-Dur ist ein melodisch einfacher Satz voller innerer Sammlung, der auf scheinbar schlichte Art beginnt, um dann nach und nach immer größere Intensität zu erreichen.
Die verschiedenen Teile der Kantate sind ebenfalls miteinander verbunden, die fünf ersten folgen ohne Unterbrechung aufeinander. Mendelssohn sah die Erfindung der Buchdruckerkunst als einen Sieg des Lichts über die Dunkelheit, und die Texte der Nummern 6 und 7 schienen ihm symbolisch für die Zustände zu Gutenbergs
Lebzeiten. Dieses per aspera ad astra - durch Nacht zum Licht - wird besonders deutlich in der schon opernhaft anmutenden sogenannten Wächterszene (Nr.6). In ständig steigender emotionaler Spannung fragt der Tenor den Hüter der Nacht neunmal „Hüter, ist die Nacht bald hin?“. Nach der neunten Wiederholung folgt die
erlösende Antwort des Solo-Soprans: „Die Nacht ist vergangen!“. Das ganze Orchester setzt in der vollen Besetzung in strahlendem D-Dur ein und der nun folgende Chor nimmt dieses Sopran-Thema auf, und mit grandioser Wirkung wird der Augenblick des Übergangs von der Nacht zum Tag dargestellt.
Neben diesem fast plakativ anmutenden Triumph des Lichtes über die Dunkelheit gibt es im Lobgesang auch leise, fast intime Betrachtungen. So zum Beispiel das mit fließenden Triolen begleitete „Sagt es, die ihr erlöset seid“, das Sopran-Duett „Ich harrete des Herrn“ oder der Choral „Nun danket alle Gott“. Dieser in der ersten Strophe a capella gesetzte, schwierig zu intonierende Choral, der dann in der zweiten Strophe unisono gesungen mit einer ebenso aufwendig verzierten wie ungewöhnlichen Besetzung (Holzbläser ohne Fagotte und Pauken ohne Blech) vom Orchester begleitet wird, wirkt auf den Zuhörer wie ein reflektierendes und bestätigendes Bekenntnis.
Dieser Gedanke wird wiederum vom nachfolgenden Duett (Sopran und Tenor) aufgenommen. Dieses fließend anmutende Stück erhält seine warme Tonfarbe durch das Hervorheben der tiefen Streicher.
Der letzte Chor besteht aus zwei mächtigen Fugen, die das ganze Universum auffordern, in das Lob Gottes mit einzustimmen. Die einzelnen Adressaten sind dabei eindeutig den Singstimmen zugeordnet: „Völker"= Bass, „Könige"= Tenor, „Erde"= Alt, „Himmel“= Sopran.
In den Schlusstakten der Symphonie wird noch ein letztes Mal das zyklische Thema wieder zunächst in der Posaune, dann tutti vorgetragen, gleich wie, als wollte uns Mendelssohn zusammenfassend sagen: Nach jeder Dunkelheit folgt Licht und trotz allem Zweifel und jeder Trauer bleibt am Ende einzig das Lob Gottes bestehen.